St. Michaelis - kirche in Basbeck

Tief im Herzen von Basbeck, abseits der lärmenden Hauptstraßen und dem turbulenten Leben der heutigen Zeit, erhebt sich ein Kirchturm und überragt die angrenzenden Häuser. Dieser Turm ist Teil der knapp 500 Jahre alten Geschichte:

Das Kirchspiel St. Michaelis

 

Während so mancher Winter ins Land ging und der Turm stets auf seine Gemeinde herabblickte, hat sich die ein oder andere spannende Geschichte zugetragen...

 

Wir haben eine Auswahl an bisherigen Veröffentlichungen für Dich zusammengetragen. Zudem bieten wir Dir eine umfangreiche Fotogalerie an, die wir gerne durch Deine Aufnahmen erweitern wollen.

Lust auf Gottesdienst?

Offene Kirche

Die Kirche ist vom 15. April 2018 bis 15. Oktober 2018 tagsüber geöffnet.

So findest Du den Weg...

Hollenworther Str. 34   21745 Hemmoor

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Unsere Fotogalerie...

Unsere Geschichte

Die Geschichte der Michaeliskirche wurde im Jahr 2000 von Pastor a.D. Rainer Clasen für die " Chronik Basbeck - 750 Jahre" aufgezeichnet.

 

Wenn man Basbeck auf der Hauptstraße durchfährt, sieht man die evangelisch-lutherische Kirche nicht, es sei denn, man wagt im richtigen Moment einen Blick nach Osten, die Hol-len-worth hinauf. Geht man dieser Straße nach, findet man die Kirche auf einem Hügel am Geestrand gelegen. Sie ist umgeben von dem Friedhof, und der ganze Komplex ist jetzt ein wenig versteckt durch Häuser, die nach 1945 entstanden. Die Lage hängt mit dem Ursprung der Kirche zusammen. Sie wurde 1570 durch den Gutsherrn Hinrich von Brobergen gestiftet, dessen Hof an der Hollenworth lag. Die Stiftungsurkunde stellt den Bau des Kirchleins fest und regelt durch Schenkung von Ländereien und Ab-gaben dessen Unterhaltung sowie Wohnung und Gehalt für einen Pastoren und einen Küster. Diese Urkunde bestimmte, dass die Kirche zu Ehren der heiligen Dreifaltigkeit gestiftet und auch nach der heiligen Dreifaltigkeit „für und für solle genannt werden“. Trotzdem hat sich seit dem 19. Jahrhundert der Name Michaeliskirche durchgesetzt, vielleicht weil die Stiftungsurkunde am „Abend des Erzengels Michael“ (29. September) unterschrieben worden war. Unter der Urkunde die Namen Hinrich von Brobergen und seiner beiden Söhne. Daneben haben auch unterschrieben zwei Pastoren aus Averndorf (Oberndorf) und Pastor Behrends aus Lamstedt, wo gerade (1567) die Reformation friedlich eingeführt worden war sowie der Vikar Johannes Homann, der dann der erste Pastor an der neuen Kirche wurde. Am 3. April 1579 wurde die Stiftung durch die Kirchenaufsicht, den Dompropst von Bremen, Herzog Friedrich von Sachsen, bestätigt („confirmirt“). Dabei wurde ausdrücklich festgestellt, dass es sich nicht um eine selbständige Gemeinde, sondern um eine „filia“-Tochterkirche der Lamstedter Gemeinde handelte. Es war also nur eine kleine Kapelle, bestimmt für die Herren und Leute des Gutes. Aber Hinrich von Brobergen hatte die Kirche nicht nur zu seiner eigenen Bequemlichkeit erbaut (er war von „schwerer Leibesfülle“ und krank). Die Bewohner des „Baßbeckes“ sollte es leichter haben, jeden Sonntag das heilige Gotteswort zu hören und zur rechten Zeit die heiligen Sakra-mente zu erhalten. Denn der Weg nach Lamstedt war weit und besonders im Winter sehr beschwerlich. Aber in der Folgezeit gab es viel Ärger mit der Abhängigkeit von der „Mutter“ Lamstedt und mit dem Dompropsten zu Bremen, der die geistliche Jurisdiktion und die Visitationen ausübte. Die Mutter ließ ihre Tochter nicht los! Es hat viele Kämpfe gekostet, die teilweise mit großer Erbitterung geführt wurden und sich bis 1840 hinzogen, als endlich Basbeck selbständige Kirchengemeinde wurde. Hinrich von Brobergen hatte in der Stiftungsurkunde zugesichert, dass die Kirchengemeinde Lamstedt keine Einbuße ihrer Rechte und Einkünfte erleiden sollte. Das waren unter anderem: „Hand- und Spanndienste“ für die Kirche und kirchlichen Gebäude in Lamstedt; Gebühren für Taufen, Trauungen und Beerdigungen – auch für die (spätestens seit 1682) in Basbeck gehaltenen!– schließlich „Pflichtgelder“, Beiträge zum Gehalt der Lamstedter Pastoren und Küster. Begreiflich, dass die Basbecker es bald leid wurden, mit ihren Beiträgen nicht nur die eigene Kirche und ihre Diener, sondern auch die in Lamstedt zu unterhalten. Hinzu kam natürlich der für die Menschen hier charakteristische Wille zur Selbständigkeit und Unabhängigkeit. So kam es zu immer neuen Versuchen, Basbeck von Lamstedt zu lösen. Zweimal, 1665 und 1679, wurde solch Vorhaben durch Gerichtsbeschluss abgeschmettert. Anfang des 19. Jahrhunderts kam es sogar zu einer Art Kirchenstreik: die Basbecker verweigerten schlicht alle Abgaben. Zwischen 1817, als Pastor Brüning starb, und 1841, als Pastor Bredenkamp sein Amt antrat, war kein Pastor in Basbeck, und es bestand akute Gefahr, dass die Basbecker Kirche ganz aufgegeben und die Gemeinde wieder nach Lamstedt – oder Osten – eingepfarrt würde. Es war, wie gesagt, ein zähes Ringen, viel Feindseligkeit war dabei, auch wohl viel Unverständnis, bis endlich an der Jahreswende 1840/41 die rechtlichen und personellen Voraussetzungen da-für gegeben waren, dass kirchliches Leben in Basbeck sich selbständig und ordentlich entfalten konnte. Inzwischen war auch sonst viel verändert. Schon 1674 ließ der damalige Patron Arend Jürgen von Brobergen die kleine Kapelle abbrechen. Sie hatte wohl im Dreißigjährigen Krieg ziemlich gelitten und genügte auch sonst nicht mehr den Ansprüchen. Eine neue, größere Fachwerkkirche wurde erbaut, wie sie im Grundriss noch heute steht. Am besten kann man sich diese Kirche vorstellen, wenn man von der Hollenworth aus auf die Nordseite sieht (sich allerdings den Turm wegdenkt). Frau von Brobergen stiftete auf Bitte des damaligen Pastors Arckenholz eine schöne Kanzel, die bis heute das Schmuckstück der schlichten Kirche ist.

 

 

Arckenholz schrieb darüber selbst in das Kirchenbuch: wie er die Patronin aufsuchte und ihr einen Traum erzählte. Er habe – im Traum– in der schönen neuen Kirche „auf einer neuen Cantzel mit Freuden gepredigt, daran waren gestanden diese Buchstaben: M M M F V B“.

 

Die Patronin Metta Maria Marschalk Frau von Brobergen hat diesen Wink wohl ohne besondere Ausdeutung verstanden und „zur Ehre Gottes Anno 1693“ die Kanzel „verehrt“. So sehen wir bis heute unter den eindrucksvollen drei Figuren des rufenden, des einladenden und des predigenden Herrn Jesus Christus den Namen der Stifterin: Anno 1693 M M M F V B. Das Gut ist dann wenige Jahre später in Konkurs geraten und an die Familie von Bremer aus Cadenberge (später Graf Bremer) übergegangen, damit auch das Patronat der Kirche, das bis zur Auflösung des Bremerschen Gutes 1934 weiter bestand. Mit der endgültigen Lösung von der Muttergemeinde Lamstedt scheint auch wieder etwas mehr Schwung in das kirchliche Leben Basbecks eingekehrt zu sein. Nach der 20jährigen Vakanz wurde in Gustav Bredenkamp wieder ein tüchtiger Pastor gefunden. Sein Grab mit einem großen eisernen Kreuz ist auf dem Friedhof zu sehen. Für ihn wurde 1842 ein neues Pfarrhaus mit Scheune und Brunnen gebaut, so wie es noch heute am Kirchweg steht. 1870 wurde von dem damals hier recht berühmten Orgelbauer Röver aus Stade eine kleine Orgel gebaut. Sie hatte ein Manual und neun klingende Stimmen und kostete 2.400 Mark. Für die Orgel musste der Innenraum der Kirche umgestaltet werden. Da die Orgel nun die „Frauenprieche“ einnahm, musste diese an die Südwand versetzt werden. Dort aber stand bzw. hing die Kanzel, die nun über den Altar gesetzt wurde. 1882 wurde die Südwand der Kirche erneuert, mit festem Mauerwerk und neuen Fenstern im Geschmack der Zeit versehen. 1896 wurde gar ein Ofen angeschafft – man brauchte nun zur Winterzeit nicht mehr die Fußsäcke und „Feuerkieken“ mitzubringen! Von besonderer Bedeutung aber wurde der Neubau des Kirchturms. Der bis dahin als Träger der Glocken dienende, neben der Kirche stehende Holzturm war so baufällig geworden, dass er beim Läuten der Glocken bedenklich wackelte. Zwar hatte man ihn immer wieder repariert und zuletzt erst 1876 das Dach samt Stange, Knopf, Fahne und Kreuz erneuert. Aber nun musste gründlicher gehandelt werden. 1902 wurde der massive, insgesamt 32,5 m hohe Turm vor den Westeingang der Kirche gesetzt, so wie er heute noch zu sehen ist. Auch eine Uhr wurde eingebaut. Sie zeigt bis heute (mit erneuerten Zifferblättern), was die Stunde geschlagen hat. Wenn wir im Turm die Treppen hinaufsteigen, finden wir auf dem ersten Boden diese kunstvolle Uhr, die 1902 von der Firma Weule, Bockenem, erbaut wurde und bis heute von drei schweren Gewichten gezogen voll mechanisch läuft. Nur der Stundenschlag fällt nicht mehr wie früher draußen auf eine kleine Extra-Glocke, sondern drinnen auf den Rand der großen Glocke. Die Glocken selbst finden wir einen Treppe höher auf dem zweiten Boden. Sie künden u. a. von der jüngeren Geschichte der Kirche. Die kleine Glocke ist alt. Sie trägt eine lange Aufschrift: „Als der hochgeborne Graf Bendix Carl Christian von Bremer Patron der Kirche zu Basbeck, bin ich, die lange Jahre zersprungen dalag, nach Vereinigung der 20 Jahr vacanten Hofcapellanei Brobergen mit der Pfarrei Basbeck, nachdem am 28. Maertz 1841 der Pastor Bredekamp eingeführt, auf An-trag von Graf Bremers Verwalter Gaedehens anno 1842 den 22. October von L. Kowàtsay zu Walsrode um-gegossen.“ Die Glocke markiert also den Anfang der neueren Geschichte (s. o.) und läutet seitdem kontinuierlich zu den Gottesdiensten und Feiern in der Kirche seit 1902 im neuen Turm. Ihr Bronzematerial schlägt noch den Bogen zurück in die alte Zeit. Die große Glocke ist neu von 1975. Aber gerade ihr junges Alter weist ebenfalls in die Geschichte: 1896 zersprang, noch im alten Turm, eine Glocke. Als Ersatz hierfür lieferte die Firma Otto, Hemelingen, eine neue 978 kg schwere. Da diese Glocke keinen Altertums- oder Kunstwert hatte, musste sie 1917 an die Militärverwaltung abgeliefert werden. Zehn Jahre später, 1927, trat dann eine neue Glocke an ihre Stelle – „Gott zur Ehre und den im großen Kriege gefallenen Brüdern zum Gedächtnis“. Sie konnte gerade 15 Jahre läuten, da musste auch sie in den Krieg. Wieder verging fast ein Jahrzehnt, bis 1951 Ersatz beschafft werden konnte, jetzt den Gefallenen beider Weltkriege zum Gedächtnis. Sie war aus dürftigem Material und musste später wieder heruntergeholt werden. Jetzt grüßt sie uns, ihrem eigentlichen Zweck entfremdet, wenn wir die Kirche durch den Turm betreten. Sie ruht auf dem Boden der Eingangshalle und unterstreicht dort mit ihrer Aufschrift die Mahnung der Tafeln, die hier bei der Neugestaltung 1956 mit den Namen der Gefallenen und Vermissten versehen wurden. Und oben im Turm läutet die neue Glocke: „Lasst mich nicht vergeblich rufen! Betet zu Gott!“ Wir gehen nun durch die alte Eingangstür vom Turmraum in die Kirche hinein.

 

Der Innenraum wurde 1954 mit erheblichen Spenden aus der Gemeinde völlig renoviert. Den Taufstein holte Pastor Pfeiffer (in einem VW-Käfer!) aus Garmissen bei Hildesheim. Die schöne, für den Raum fast zu große Orgel wurde im Auftrag der Firma Ott von dem Orgelbauer Kühnel aus Stade erbaut. Sie hat zwei Manuale und Pedal mit 17 klingenden Registern und wurde an Michaelis (!) 1967 eingeweiht. 1986 wurde außen das schadhafte Fach- und Mauerwerk saniert, der Innenraum erhielt einen sorgfältig abgewogenen Farbanstrich und der Fußboden wurde wieder mit Ziegelplatten belegt. Vor allem aber wurden die wertvollen alten Christus-Figuren an der Kanzel „gerettet“, d. h. vor dem weit fortgeschrittenen Verfall von innen bewahrt und farblich aufgefrischt. Einige Jahre später konnten auch die schönen alten Messing-Kronleuchter wieder instandgesetzt werden. – Man sieht: es geht weiter. Und immer wieder sind viele Spendengelder aus der Gemeinde dabei. Denn die Kirche ist zwar klein und schlicht. Aber die Basbecker lieben sie und sind bereit, sich für sie einzusetzen. Das hat sich in den Jahrhunderten seit der Stiftung nicht geändert. Wir verlassen die Kirche, diesmal durch die Nordtür, deren Oberbalken mit einer liebevoll gestalteten Schnitzarbeit verziert ist, die man nur sieht, wenn man darauf hingewiesen wird. Draußen stehen wir auf dem Friedhof, der hier noch ein richtiger „Kirchhof“ ist. Die Toten aus alter und jüngster Zeit ruhen hier gut, rund um die Stätte, da die Auferstehung und das Leben verkündigt wird. Um von Kirche und Friedhof zu Pastorat und Gemeindehaus zu gelangen, gehen wir an einer Reihe schöner, in den letzten Jahrzehnten erbauten Häuser und Gärten vorbei. Da steht das nunmehr 150 Jahre alte Pfarrhaus, und gleich dahinter der einfache, schöne Neubau des Gemeindehauses aus dem Jahre 1984/85. Der Bau war notwendig geworden, weil der kleine Konfirmandensaal am Pastorat (ein umgebauter Torfschuppen) für die vielen Gruppen der Gemeinde einfach nicht mehr ausreichte, außerdem auch baufällig war. Trotz der kritisch gewordenen Finanzlage der Kirche wurde der Bau möglich, weil die Gemeinde in vielen kleinen und einigen größeren Spenden fast 100.000 DM zusammentrug. Jetzt haben die Chöre, die verschiedenen Gruppen der Jungen und Alten schöne, einladende Räume für ihre Arbeit. l Zum Schluss möchte ich Ihnen noch etwas sagen: In einem Stahlschrank im Pfarrarchiv stehen die alten und neueren Kirchenbücher sauber gebunden. Ich blätterte gern in ihnen, musste es auch manchmal, wenn Anfragen wegen Ahnenforschung kamen. Die Bücher beginnen am Palmsonntag 1682, als nach den Wirren des dreißigjährigen Krieges das kirchliche Leben aufblühte (s. o.). Pastor Arckenholz fing einfach mit dem Führen eigener Kirchenbücher und tat damit auch einen weiteren Schritt in Richtung Selbständigkeit der Gemeinde. Seitdem haben die verschiedenen Pastoren alle Copulationen (Trauungen), Kindtaufen und Begräbnisse, seit 1798 auch Konfirmationen, sorgfältig eingetragen. Was da in charakteristischen, teilweise schwer lesbaren Handschriften aufgezeichnet ist, dokumentiert auch Geschichte der Kirche. Denn da zeigt sich, wie das Wort Gottes im Leben Gestalt gewonnen hat. Wenn ich darin las, unterhielt ich mich über die Jahrhunderte mit meinen Vorgängern im Amt und bedachte, wie an dieser Stelle seit 1570 Sonntag für Sonntag Gottesdienst gehalten, gepredigt, gehört, gesungen und gebetet, das Abendmahl ausgeteilt und getauft worden, und es stellte sich ein Gefühl von Ehrfurcht und Dankbarkeit ein. Dabei denke ich nicht nur an die Pastoren, die hier in Treue gewirkt haben, sondern auch an die Küster. Bis in unser Jahrhundert hinein waren sie zugleich Lehrer, Kontoren, nach dem Orgelbau 1870 auch Organisten. 1920 wurde das Amt aufgeteilt: Die Lehrer wurden der weltlichen Obrigkeit unterstellt, das Amt des Küsters wurde mit dem des Friedhofswärters verbunden, und der/die Organist/in und Kantor/in ist nebenberuflich oder ehrenamtlich tätig. In den treuen Diensten des Alltags, in der kleinen Ausführung des großen Auftrags, im Leben aller Gemeindeglieder: da geschieht ja das Wesentliche. Die Geschichte der Basbecker Kirche ist so wie die Kirche selbst, schlicht und einfach. Aber sie ist Teil der großen Geschichte Gottes mit den Menschen.

Pastor a.D. Rainer Clasen †

Pastor in Basbeck 1980 – 1991

in Chronik Basbeck 750 Jahre, Hemmoor 2000, S. 168-174


Der Kanzelaltar

Das Alter des Basbecker Kanzelaltars kann man leicht bestimmen, denn Stiftungsjahr und Stifterin sind auf der Tafel in der Mitte aufgezeichnet:

Gestiftet wurde die Kanzel 1693 von MMMFVB = Meta Maria Marschalck, Freiherrin von Brobergen. Der Kanzelaltar stammt also aus einer Zeit 186 Jahre nach dem Thesenanschlag und 45 Jahre nach dem Ende des dreißigjährigen Krieges. Er steht damit klar in der Tradition Luthers und dennoch weist seine besondere Gestalt gerade auch auf die theologische und geistesgeschichtliche Gegenwart seiner Zeit am Ende des 17. Jahrhunderts.

 

Zunächst zu Luther: Martin Luther hat gegenüber den vielfältigen Traditionen und Vorschriften der damaligen Papstkirche an die ursprüngliche Botschaft des Evangeliums, wie es in der Heiligen Schrift bezeugt ist, erinnert. Seine Botschaft war: Allein in der Heiligen Schrift (solo verbo) finden wir die Wahrheit des Glaubens und nur durch Jesus Christus (solus Christus) wird uns die Erlösung geschenkt. Durch Martin Luther ist also die Wortverkündigung im Gottesdienst gegenüber der Sakramentsausteilung (Abendmahl) in den Vordergrund gerückt. Stand zu Luthers Zeiten die Kanzel noch dem Altar gegenüber, so entwickelte sich später in der protestantischen Kirche der Kanzelaltar, bei dem die Überordnung der Wortverkündigung über dem Altarsakrament sinnfällig wird. Oft befindet sich dennoch direkt unter der Kanzel ein Abendmahlsbild, das gleichwohl an die enge Verbindung von Wort und Sakrament erinnern soll. Wie wichtig für die protestantische Tradition das Wort der Heiligen Schrift ist, macht dieser Kanzelaltar deutlich: Oben über dem Prediger steht, „Des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit“ (1.Petrus 1,25). 

 

Rechts und links der beiden äußeren Kanzelfiguren findet sich ebenfalls ein Schriftwort. Wie sich später zeigen wird, erklärt es die beiden anderen Kanzelfiguren. Die Schrift deutet also das, was wir sehen. Die Mitte der Heiligen Schrift ist für Martin Luther „Jesus Christus“. Häufig ist deshalb in der Mitte der Kanzel eine Christusfigur zu sehen und rechts und links stehen jeweils zwei Evangelisten. Hier ist es anders. Wenn wir die drei Kanzelfiguren betrachten, merken wir, sie sehen sich sehr ähnlich. Die drei Balken, die sie tragen, führen alle in der Mitte ein eisernes „X“ Das ist keinesfalls nur eine Verzierung, sondern steht für das griechische X (= Chi), den Anfangsbuchstaben für Christus. So stellen alle drei Figuren Christus dar. Wir befinden uns nämlich in einer Zeit, in der sich der Glaube in besonderer Weise auf Christus konzentriert, wie dies auch aus einigen Kirchenliedern am Ende des 17. Jahrhunderts deutlich wird. „Drum auch, Jesu, du alleine, sollst mein Ein und Alles sein“ (EG 386, Vers 10 aus dem Jahre 1695, vgl. auch EG 402, 403). Es geht also um das persönliche, innige Verhältnis zu Jesus, darum, auf ihn zu hören, denn „dein Wort, o Jesu, ist Leben und Geist“ (EG 386, 4). Wenn über der Kanzel steht, „des Herrn Wort bleibet in Ewigkeit“, dann ist damit Jesus selber als das Wort Gottes gemeint, das Wort, das wir aus seinem Munde hören. Deshalb ist in der Mitte der drei Jesusfiguren der predigende Christus zu sehen. 

Der Pastor, der sonntags oder an Festtagen über ihm zu sehen ist, steht also nur in seiner Nachfolge. Mitte der Botschaft von Christus – und darin hat sich etwas seit der Zeit Martin Luthers verschoben – ist nicht mehr nur die Botschaft von der Erlösung in Christus, sondern das Geheimnis seiner Person. Christus ist für den Glaubenden der Ort, „wo Gott und die Menschheit in Einem vereinet“ (EG 386,2) sind. Wie dies genau zu verstehen ist, darüber hat schon Martin Luther intensiv nachgedacht und darüber haben nachfolgende protestantische Theologen ausführliche Dispute geführt. War Christus schon Mensch als er noch bei Gott im Himmel war, blieb die menschliche Natur Teil seines göttlichen Lebens nach seiner Rückkehr zu Gott? Hat Christus auf Erden seine göttliche Macht nur verborgen oder gar nicht gebraucht?

 

Alle diese christologischen Fragen stehen im Hintergrund dieses Kanzelaltars, denn er zeigt den einen Christus, doch aus unterschiedlicher Perspektive. 

 

Die linke Christusfigur stellt Jesus im „status exaltationis“, im Zustand der Erhöhung dar. Der Begleittext aus Hebräer 12,2 weist darauf hin: „Lasst uns aufsehen auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens.“ Als kleinen andeutungsweisen Unterschied trägt Jesus hier ein besonders festliches, fürstliches Gewand, dessen Linien immer nach oben führen. Auf der rechten Seite sehen wir Jesus im „status exinanitionis“, im Zustand der Erniedrigung, wie er als Gott-Mensch mit der Geste der Umarmung auf die armen Menschen zuging: „Kommet her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid“ (Matthäus 11,28). Hier ist das Gewand doch wohl eher wie ein schlichter Umhang gedacht, um die Einfachheit des irdischen Jesus anzudeuten. Auffällig ist auch, dass es deutlich nach unten fällt, offensichtlich, um die Bewegung hin zu den Menschen zu unterstreichen. Es ist vermutet worden, dass diese Christusfigur ursprünglich einmal einen Kelch in seinen Händen getragen hat, um ihn den Menschen zu reichen und sie auf diese Weise zu „erquicken“. Das würde insofern passen, als dann die drei wesentlichen Elemente des Gottesdienstes: Die Wortverkündigung (Mitte), das Abendmahl (rechts) und der Segen (links) in den drei Christusfiguren repräsentiert wären. Durch die Schriftworte ist ja zugleich die Abfolge von Epistellesung (Hebräer 2) und Evangeliumslesung (Matthäusevangelium) aufgenommen. In allen Bemühungen um das Verständnis der Gott-menschlichen Einheit in Jesus Christus ging es den Theologen immer wieder darum, zu betonen, dass es im Glauben nur um das Bekenntnis zu dem einen Christus geht. 

 

Dieses Anliegen wird auch in der Anordnung des Altars deutlich: Links sehen wir Christus, der die Menschen vom Himmel herab segnet. Doch seine Hände sind nicht gleich symmetrisch erhoben. Die linke Hand ist ein wenig gesenkt und weist damit auf die Zentralfigur in der Mitte. Auch die sich öffnenden Hände des sich erniedrigenden Christus sind nicht auf gleicher Höhe. Durch die leichte Neigung der rechten Hand gibt es auch hier ein Gefälle zur zentralen Christusfigur hin, zu der also damit zwei gedachte Linien hinführen. Wie in dem Choral „Eins ist not“ (386), geht es auch in dieser bildlichen Darstellung um die Botschaft, dass uns „alles in Einem geschenkt“ (386,3) ist, in Jesus Christus. 

 

Auf diese Botschaft der neuen Einheit von Gott und Mensch in Jesus Christus, auf die persönliche Christusliebe kam es dem Gestalter und der Stifterin dieses Kanzelaltars an.

Natürlich blieb dabei die Lehre von der Versöhnung in Christus lebendig: „Die höchste Gerechtigkeit ist mir erworben, da du bist am Stamm des Kreuzesgestorben“ (EG 386,6). Dies macht das Kruzifix unmittelbar unter der Kanzel deutlich. Hier fließt das Blut aus der Seite Jesu, auch ein deutlicher Hinweis auf die erlösende Macht des Blutes Jesu Christi im Abendmahl. Unverkennbar aber ist, dass dieses Kruzifix von einem anderen Künstler stammt und vermutlich schon im ersten Kirchenbau von 1570 seinen Platz gefunden hat. Als leibhaftige Darstellung des am Kreuz sterbenden Christus erinnert es an viele mittelalterliche Darstellungen. Ein Symbol direkt über dem Haupt des Predigers auf der Kanzel dagegen weist schon ins 18.Jahrhundert, dem Zeitalter der Aufklärung. Es ist die Sonne, die hier hell erstrahlt. Der künstlerische Gestalter dieser Kanzel hatte dabei noch Christus selber im Blick als das wahre Licht (vgl. EG 72) und war überzeugt davon, dass des Menschen Herz und Verstand dunkel bleibt, wenn nicht der Geist Jesu „uns mit hellem Licht erfüllet“ (EG 161,2). Diese Konzentration auf Christus sollte in dem Jahrhundert, das sieben Jahre nach Fertigstellung dieser Kanzel anbrach, mehr und mehr in den Hintergrund treten. Der Mensch meinte nun vielmehr durch eigene Einsicht das Licht der Aufklärung anzünden zu können. 

 

Der Basbecker Kanzelaltar hält somit eine ganz bestimmte Stufe des theologischen Denkens und christlicher Frömmigkeit am Ende des 17.Jahrhunderts fest. Dennoch ist seine Botschaft nicht nur Vergangenheit, sondern Mahnung, das Geheimnis der Person Jesu Christi in der Auslegung der Heiligen Schrift auf der Kanzel oder hinter dem Stehpult in unsere Zeit hinein immer neu zu verkündigen. 

Pastor Dr. Wilfried Behr

Hemmoor, im September 2011

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